Doch dann kam der zweite Teil des
ersten Paragraphen: Mein Leben nicht mehr meistern können.
Damit hatte ich zunächst Schwierigkeiten. Ich ging doch zur
Wache und verdiente das monatliche zum Leben benötigte Geld....
Nach der erfolgten und vor allem gründlicher Inventur, sah das
Ergebnis jedoch anders.
Meine Kollegen hatten mich zum
Schluss durchgezogen. Mein Leben meistern ohne richtig
schreiben zu können? Dazu folgendes: Ich war im Entzug,
brauchte also dringend Alkohol, und musste etwas notieren, um
eine Anzeige zu schreiben. Ich brachte es nicht fertig die
Worte klar ins Notizbuch zu bringen. Meine Hände versagten, sie
konnten nicht ausführen, was der Kopf ihnen sagen
wollte.
Ein anderes Mal fand ich eine
Tankquittung in meinem Notizbuch und wusste nichts damit
anzufangen. Ich wollte sie schon wegschmeißen, da konnte ich
über einige Umwege ermitteln, dass ich eine Anzeige wegen
Tankbetrug aufgenommen habe. Ich habe meine Kollegen durch
meine Trinkerei gefährdet. Als ein gleichwertiger Kollege der
seinen Partner schützt, konnte ich nicht mehr angesehen werden.
Von meinen privaten Problemen mit meiner Frau ganz zu
schweigen. Und da, da konnte ich mir auch den zweiten Teil des
§ 1 eingestehen: Ich konnte mein Leben nicht mehr meistern.Nach
der Beendigung meiner Therapie ging ich wieder zur Wache, wo
ich auch heute noch Dienst versehe. Natürlich wurde ich nicht
mit offenen Armen empfangen - hatte ich das Vertrauen der
Kollegen doch zu oft und zu gründlich missbraucht. Ich habe
dann einen weiteren Paragraphen angewandt, die
Wiedergutmachung. Ich habe mit meinen Kollegen das offene
Gespräch gesucht und mit ihnen über die Krankheit gesprochen,
ihnen meine Einsicht mitgeteilt. Ich habe mich für mein
Fehlverhalten entschuldigt. Zweifel an mir blieben natürlich,
doch mehr als die Entschuldigung und ein trockenes Leben bzw.
Vorleben konnte ich ihnen als Wiedergutmachung nicht anbieten
oder geben.
Es hat ca ½ – 1 Jahr gedauert,
bis mich meine Kollegen wieder akzeptierten, wieder unbefangen
und frei mit mir gesprochen haben, bis auf einen Kollegen. Er
ließ nicht mit sich sprechen. Er konnte mir nur sehr schwer
verzeihen. Dies gelang mir schließlich nur durch meine
langjährige Trockenheit und der Tatsache, das ich Donnerstag
für Donnerstag nach Berleburg zur Gruppe fahre und meine
Krankheit Alkoholismus sehr ernst nehme. Heute funktioniert das
„normale“ Leben auf der Wache wieder einwandfrei.
Ich habe mir trotz allem aber
nicht alles auf der Wache gefallen lassen. Gab es
Unstimmigkeiten wegen z.B. der Dienst- oder Urlaubsplanung, so
habe ich schon meinen Standpunkt vertreten, sowohl gegenüber
meinen Streifenkollegen als auch meinem Chef. Ich will an
dieser Stelle noch zwei Geschichten mit meinem Chef erzählen.
Wir hatten Donnerstags im Spätdienst einen Engpass. Ein Kollege
war zu wenig um den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten. Da noch
zwei weitere Kollegen ebenfalls im dienstfrei standen, weigerte
ich mich, auf mein dienstfrei mit dem Hinweis auf die Gruppe zu
verzichten. Mein Chef versuchte mich unter Druck zu
setzen.