Onlinemeeting der Anonymen Alkoholiker

Hans Jürgen - Der Saufdruck ist noch da - Seite 2


Schon in der Kindheit kommt Jürgen mit Alkohol in Berührung. "Oft waren es Mutproben. Um nicht im Abseits zu landen, hat man mitgetrunken." In der fünften Klasse gewinnt er beispielsweise am Schießstand auf dem Rummel eine Flasche Wein, die er mit Kumpels leert. Anstandslos wurde ihm der Wein ausgehändigt . "Das war früher nicht anders als heute"sagt Jürgen. Auch der Männertag wird von klein auf gefeiert, später folgen Trinkgelage in der Lehre, bei Familienfeiern, im Kollektiv und beim Sonntags-Frühschoppen mit dem Vater. "Ich wollte stets bis zum Schluss durchhalten, der Größte sein." Damals treten erste Probleme in der ersten Ehe auf, weil er alles vernachlässigt. Doch das ist Jürgen egal. Nach außen scheint weiterhin die Sonne. Finanzprobleme gibt es nicht - noch nicht. Er kommt in Schlips und Kragen daher, beruflich läuft ja alles optimal - bis er versetzt wird und irgendwann alles hinschmeißt. Doch bis dahin trinkt er noch etliche Liter Schnaps und Bier. Gesellschaftlich tätig sei er gewesen, sagt Jürgen. Mehr gibt er nicht preis. "Mein Alkoholkonsum hatte jedenfalls nichts mit Sorgen zu tun, eher mit Erfolgen." Morgens führt sein erster Weg am Kiosk vorbei, dort deckt er sich mit Flachmann und Bier ein. Gegen den verräterischen Fusel-Geruch sollen Pfeffis und Sicherheitsabstand zu den Kollegen helfen. "Man bildet sich ja ein, das merkt keiner" - auch zu Hause. Später erzählen ihm die Kinder, dass sie jedes seiner Verstecke kannten. Und seine dritte Frau berichtet, dass sie sich morgens das Kissen über die Ohren zog, weil sie es nicht mehr hören konnte, wenn er würgen musste. "Trockenkotzen"nennt Jürgen das. "Da ist der Brechreiz so stark, dass die Augen herausquellen." Aber er verniedlicht die Situation weiter. "Ich dachte, ich kann jederzeit aufhören." Ein Trugschluss. Zumal er nun in einer Kneipe jobbt. Er schläft und trinkt, schläft und trinkt - bis er 48 Jahre alt ist. "In dem Alter ist mein Vater gestorben, an den Folgen des jahrelangen Alkoholkonsums. Das wollte ich nicht."
Er fährt in seinen Bungalow, trinkt alles weg, was da ist und macht mit Hilfe einer Bekannten einen kalten Entzug. "Die Krämpfe waren so schlimm dass ich dachte, ich muss sterben." Er überlebt, führt seitdem ein trockenes Leben. "Zu begreifen, dass man Hilfe braucht, ist der Schlüssel für die Trockenheit "betont Jürgen. " Aber am Ende bin ich für mich allein verantwortlich - jeden Tag aufs Neue."