Es ging nur noch bergauf. Seelisch, körperlich, beruflich. Ich machte wieder Sport, und wie. Ich powerte mich vollkommen aus. Was für eine wunderbare Zeit. Ich machte den Busführerschein und zog weg aus Berlin. Ich fuhr Bus in Hamburg, Innsbruck und Norwegen und dachte "Freiheit!". Bei der Bahn machte ich meinen Lokführerschein und fuhr in verschiedenen Gegenden herum. Endlich konnte ich auch mit meinem Schwulsein lockerer umgehen. Seit 13 Jahren bin ich nun mit meinem finnischen Freund zusammen in einer Fernbeziehung. Fast achtzehneinhalb Jahre nach dem ersten nüchternen Tag kann ich immer noch sagen "Glück gehabt, Peter." Aber das ein nüchternes Leben "störungsfrei" verläuft, ist eine Illusion. Ich habe viele weitere Stolpersteine beiseite räumen müssen, doch wusste ich immer: das geht nur nüchtern. Mir war klar: mit dem ersten Glas bist du genau dort, wo du aufgehört hast, am Abgrund. Das hat mich bewahrt. Auch nach einer Krebserkrankung, schlimmen Unfällen und auch der Flut im Ahrtal habe ich nicht mehr an Alkohol gedacht, um mich wegzumachen. Was hätte es genutzt? Nichts. Schwierigkeiten bewältigt man nur gut, wenn man nüchtern ist. Jeder trockene Tag hat sich gelohnt. Und nie hätte ich im Traum vermutet, dass mein trockenes Leben um so viel schöner würde, als mein nasses Leben. Eine meiner Schwestern habe ich mal gefragt, was sich aus ihrer Sicht an mir geändert hat. Da kam spontan: "Du bist wie früher, nur viel besser."