Mit Alkoholismus habe ich mich
nie beschäftigt, bis ich plötzlich Alkoholiker war. Ich heisse
Peter, bin 1962 in Niedersachen geboren. Alkohol war in meinem
Elternhaus überhaupt kein Thema. Es waren sog. "geordnete
Verhältnisse", in denen ich aufwuchs. Gab es Probleme zwischen
meinen Eltern, haben sie fast immer versucht, das nicht vor uns
Kindern auszutragen. Ich habe zwei ältere Schwestern und
eigentlich war alles bestens. Mein Vater war Lehrer und meine
Mutter erst Hausfrau und dann irgendwann Bürokraft. Meine erste
Erschütterung der heilen Welt erlebte ich, als meine Eltern
mich auf das
Gymnasium meines Vaters stecken:
"Da hat der Junge es am besten!". Meine Schwestern haben sie
zuvor auf eine christliche Privatschule geschickt, weiss der
Teufel warum, denn meine Eltern waren gar nicht religiös. Heute
weiss ist, dass es vermutlich der Kontrollfreak Mutter war, die
das wollte. Auf dem Gymnasium bin ich innerhalb eines Jahres
abgestürzt und wurde dann fast rausgeworfen. Von vielen
Mitschülern wurde ich gemobbt und bezichtigt, von meinem Vater
bevorzugt zu werden. Was natürlich Unsinn war, aber wie dagegen
ankämpfen? Ich wurde angegangen, vermöbelt und beschimpft. Am
Ende des Gymnasiums war ich ein Wrack. Anschließend kam ich auf
eine andere Schule und die Zensuren waren wieder gut. Ich ging
erst in einen Judoverein und dann in einen Boxverein und bekam
wieder Boden unter meine Füßchen.
Nach der Schule machte ich erst
eine Lehre als Klavierbauer und zog anschließend nach Berlin
(damals noch West-Berlin), woich mein Abi auf dem zweiten
Bildungsweg machte. Heute kann ich sagen, das ich in Berlin an
den Suff geraten bin. "Alkohol und Nikotin braucht der Mensch
in West-Berlin" war einer unserer Lieblingssprüche. Ich lebte
in WGs oder in Mietshäusern, wo nur junge Leute lebten und alle
entdeckten sich selbst und die große, wunderbar ungehemmte
Stadt abseits jeder
Piefigkeit. Ich genoß jeden Tag
und war mir sicher, nie wieder woanders leben zu wollen. In
diesem Leben des Ausprobierens und Feierns versuchte ich mich
in vielen Studiengängen, aber nichts hatte mich wirklich
interessiert. Irgendwann ging ich zur Polizei, weil ich dachte
nun mal vernünftig werden zu müssen, wurde Kommissar im
gehobenen Dienst und hatte den unglücklichsten Job meines
Lebens. Dort habe ich dann richtig viel getrunken. Es war die
Zeit nach Mauerfall, die Behörden West und Ost wurden
zusammengelegt und es war ein giftiges Klima. Eine furchtbare
Zeit, aber es sollte viel furchtbarer werden.